Diese Studie verglich anhand von Längsschnittdaten von 45,7 Millionen Erwachsenen in England von Dezember 2020 bis Januar 2022 die Häufigkeit thrombotischer und kardiovaskulärer Komplikationen nach 1, 2 oder mehreren SARS-CoV2-Impfungen mit der entsprechenden Häufigkeit „vor oder ohne die entsprechende Impfdosis“. Dabei waren laut Aussagen der Autoren arterielle Thrombosen (Herzinfarkte und Schlaganfälle) und venöse Thrombosen (v.a. tiefe Beinvenenthrombosen und Lungeninfarkte) bei Geimpften seltener. Bei Myo- und Perikarditis zeigte sich eine höhere Inzidenz nach der 1.,2. und „vorübergehend“ nach der Auffrischungsdosis aller SARS-CoV2-Impfstoffe, sowie eine höhere Inzidenz von thrombotischen Thrombozytopenien bei Vektorimpfstoffen.
Daraus schließen die Autoren: „Diese Erkenntnisse, in Verbindung mit dem langfristig höheren Risiko schwerer kardiovaskulärer und anderer Komplikationen im Zusammenhang mit COVID-19 (Anm: dazu wird auf frühere Studien verwiesen, in denen jedoch meist als Bezugsgröße die Komplikationsrate der „Wuhan-Variante“ herangezogen wurde, was nicht seriös ist), liefern überzeugende Beweise für den Netto-kardiovaskulären Nutzen der COVID-Impfung.“…„Diese Ergebnisse unterstützen die breite Einführung zukünftiger COVID-19-Impfprogramme.“
Anmerkungen:
Diese Studie vergleicht nicht, wie man aus Studientitel, Conclusio und diversen Medienberichten erwarten würde, geimpfte mit ungeimpften Personen, sondern (außer bei der 1.Dosis) Geimpfte mit „weniger-Geimpften“. Die Vergleichsgruppe wird im Abstract nur schwammig als „vor oder ohne die entsprechende Impfdosis“ beschrieben. In der Methodik wird das etwas näher spezifiziert: „Jede Vergleichsgruppe umfasste nur Personen, die für die betreffende Impfstoffmarke und -dosis in Frage kamen. Auffrischungsdosen können beispielsweise nur Personen erhalten, die eine Grundimmunisierung erhalten haben.“ Damit besteht die Vergleichsgruppe aus Personen, die jeweils 1 Impfung weniger erhalten haben als die „Impfstoff-Gruppe“; es werden also 2-fach Geimpfte mit 1-fach-Geimpften und Geboosterte mit 2-fach-Geimpften verglichen (s. Tabelle 3 im Zusatzmaterial). Lediglich bei der 1.Dosis wurde mit Ungeimpften verglichen. Hier beträgt im Normalfall die Zeit bis zur 2.Impfung (und damit „Umstieg“ in die 2-Dosis-Gruppe) jedoch nur etwa 21 Tage. In den Abbildungen 1-3 wird dennoch eine Nachbeobachtungszeit dieser Gruppe über 26 Wochen angegeben, was nicht erklärt wird. Liest man in der Methodik nach sieht man, dass nur in dieser Gruppe als Startpunkt für die Nachbeobachtung für alle Probanden der 8. Dezember 2020 angenommen wurde, auch wenn viele Personen erst später geimpft wurden (in den anderen Gruppen gilt dann laut Studiendefinition jeweils das Datum der Impfung mit der vorhergehenden Dosis). Dadurch entsteht ein deutliches Missverhältnis zwischen der Beobachtungszeit der geimpften und der ungeimpften Gruppe. Sieht man sich das Zusatzmaterial an (Tab.4), waren die Inzidenzraten sämtlicher kardiovaskulärer Ereignisse und Thrombosen bei diesen „wirklich Ungeimpften“ geringer als bei 1-mal Pfizer- oder AZ-Geimpften. Erst nach der 2. Dosis werden die Inzidenzraten der sogenannten „Impfgruppe“ geringer als in der Vergleichsgruppe (d.h. den „weniger-Geimpften“), was nicht verwundert, wenn man die statistischen Tricks in der 1-Dosis-Gruppe beachtet.
Kardiovaskuläre Ereignisse und Thrombosen nach Impfung wurden für maximal 26 Wochen nach der jeweiligen Impfdosis bzw. maximal 14 Wochen nach der Auffrischungs-Dosis getrennt berücksichtigt, wobei ein kardiovaskuläres Ereignis die Nachbeobachtung beendete. Klinisch relevant wäre das Gesamtrisiko geimpfter Personen mit dem Risiko ungeimpfter Personen über den gesamten Studienzeitraum hinweg zu vergleichen.
Bei Myo- und Pericarditis wurde die Nachbeobachtung am 17.Mai 2021 zensiert, da diese beiden Ereignisse zu diesem Zeitpunkt als mögliche Impffolgen anerkannt wurden und diese Information laut Autoren die Studienergebnisse beeinflussen könnte. Das heißt, bei diesen beiden Nebenwirkungen gibt es Informationen zu maximal 2 Impfdosen und 5 Monaten Nachbeobachtung; wobei die Hochrisikogruppe für Myokarditis junge Männer sind, und diese meist erst ab Frühjahr 2021 Zugang zu Impfstoffen erhielten. Trotzdem zeigte sich bei den Pfizer-Impfstoffen bereits ein deutlicher Risikoanstieg (1 Woche nach der 1.Dosis aHR 2,05, 1 Woche nach der 2.Dosis aHR 3,14). Im Zusatzmaterial finden sich passend dazu nur Daten über maximal 24 Wochen, während im Haupttext auch Auffrischungsimpfungen bewertet werden.
Interessant sind auch die Subgruppen-Analysen im Zusatzmaterial (Abbildung 2-7). Hier sieht man vor allem in der relevanten 1-Dosis-Gruppe (Vergleich mit „wirklich Ungeimpften“) bei Geimpften ein erhöhtes Risiko für arterielle Thrombosen (Herzinfarkte, Schlaganfälle) in der Altersgruppe unter 40 Jahren. Insgesamt wird dieses Risiko durch die höheren Altersgruppen weitgehend egalisiert. Für die Impf-Empfehlungen wäre diese Information essenziell, wird im Studientext jedoch nicht erwähnt. Für die anderen Endpunkte gibt es im öffentlich zugänglichen Material keine Altersangaben.
Im Text werden laufend Daten herausgepickt, die die Impfungen positiv erscheinen lassen (z.B. „mehr als 4 Wochen nach der Impfung…“ oder „13-24 Wochen nach der Impfung…“), was jedoch für das Gesamtrisiko unerheblich ist.
Der wichtigste Parameter zur Nutzen-Risiko-Beurteilung einer Behandlung ist die Gesamtmortalität, die jedoch auch in dieser Studie leider wieder nicht untersucht wurde. Ebenso wenig gibt es Informationen über mögliche längerfristige Impfnebenwirkungen – sowohl kardiovaskulär als auch beispielsweise Krebs- oder Autoimmunerkrankungen, neurologische Erkrankungen oder zu den negativen Auswirkungen einer Beeinträchtigung des Immunsystems. Die eindeutige Befürwortung der SARS-CoV2-Impfungen (ohne Alterseinschränkungen) durch die Autoren ohne diese Daten ist wissenschaftlich äußerst fragwürdig.
Auch die Vermeidung eines wissenschaftlich sauberen Vergleichs effektiv SARS-CoV2-ungeimpfter Personen mit geimpften Personen über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg lässt diese Studie in keinem guten Licht erscheinen.
https://www.nature.com/articles/s41467-024-49634-x
Die Qualität von „Faktenchecks“ zeigt sich wieder einmal sehr deutlich im Mimikama-Bericht über diese Studie mit dem Titel: COVID-Impfgegener: Der gefährliche Mythos von Herzschäden durch Impfstoffe.“ mit der Schlussfolgerung: „…Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen nach einer Impfung deutlich geringer“.
Auch die „Gelbe Liste“ (ein Pharmaindex) titelt: „Covid-19-Impfung reduziert kardiovaskuläre Erkrankungen“ und geht nicht auf das fragwürdige Studiendesign ein.