Bereits früh im Pandemieverlauf wurde vor Kollateralschäden gewarnt; unter anderem vor einer Verschlechterung der gesundheitlichen Versorgung von Herz-Kreislaufpatienten. Diese Warnungen wurden in der Innsbrucker MRT-Studie bestätigt.
Prospektive Kohortenstudie „MRT bei akutem ST-Elevations-Myokardinfarkt (STEMI)“ von 2015 bis 2020 (eingeschlossen wurden Patienten ab 18 Jahren, die im Uni-Klinikum Innsbruck einen Herzkatheter erhielten. Patienten mit Herzinfarkt in der Vorgeschichte und Patienten mit Covid-19-Infektion waren ausgeschlossen). Es wurden die Zeiträume vor der Pandemie sowie das Pandemiejahr 2020 verglichen. 2020 wurde Zeiträume mit strengen Einschränkungen (10.März – 30.April, 21.September – 6.Dezember und 26.Dezember – 18.Jänner 2021) gesondert ausgewertet. Dabei wurden die durch Herzinfarkt entstandenen Schäden am Herzmuskel mittels Herz-MRT beurteilt. Das Ausmaß dieser Schäden bestimmt maßgeblich die Kurz- und Langzeit-Prognose des Patienten (Anm: Herzmuskelzellen können nicht regenerieren. Je rascher die Behandlung erfolgt, desto weniger Zellen gehen zugrunde).
Im Zuge der erheblichen Einschränkungen des öffentlichen Gesundheitswesens im Jahr 2020 zeigte sich eine längere Ischämiezeit (Anm: Zeit bis zur bestmöglichen Wiederherstellung der Blutversorgung des Herzmuskels) sowie eine höhere Rate von Thrombolysen (Anm: medikamentöse Blutverdünnung bei zu langem Zeitintervall bis zum Herzkatheter bzw. als Notfallmaßnahme bei instabilen Patienten in einem Krankenhaus ohne Akut-Herzkatheter-Möglichkeit). Passend dazu fanden sich im MRT eine signifikante Zunahme der Infarktgröße, der mikrovaskulären Veränderungen (weiterbestehende Durchblutungsstörung des Herzmuskels trotz primär „erfolgreicher“ Angiografie) und der intramyokardiale Blutungen (ein schlechter prognostischer Parameter) sowie eine deutliche Verschlechterung der Herzfunktion. In Zeiten mit restriktiven Maßnahmen waren die Verschlechterungen besonders stark ausgeprägt – hier zeigte sich ein eindeutiger Zusammenhang. Ursächlich war eine verspätete Vorstellung der Patienten beim Arzt (ob durch den Patienten selbst oder durch Einschränkungen beim Rettungssystem, wurde nicht untersucht); die intrahospitale Versorgung verzögerte sich nicht.
Zusammenfassend war es 2020 zu einer signifikanten Zunahme der Herzmuskelschäden gekommen. Neuere Erkenntnisse deuten auf einen erheblichen Anstieg der Sterblichkeit während der Pandemie hin, der nicht allein auf die Todesfälle durch COVID-19 zurückgeführt werden kann. Die Zahl der Krankenhausaufnahmen wegen akuten-Herzkreislauf-Erkrankungen ist 2020 deutlich zurückgegangen. Im Gegenzug dazu haben Todesfälle zu Hause und Herzstillstände außerhalb des Krankenhauses während der Pandemie erheblich zugenommen. Studien zeigten auch eine erhöhte psychische Belastung hospitalisierter Patienten (Anm: z.B. Angst vor Ansteckung), was die Prognose zusätzlich verschlechtern kann.
https://academic.oup.com/eurheartj/article/43/11/1141/6386704