Schweden – retrospektive Kohortenstudie (3 Kohorten mit jeweils 2-3,5 Millionen Teilnehmern, Studienzeitraum: März 2020 bis Oktober 2021). Kohorte 1 bestand aus ungeimpften Teilnehmern mit und ohne stattgehabte Infektion, Kohorte 2 bzw. 3 aus Menschen mit 1 Impfung bzw. 2 Impfungen nach vorangegangener Infektion. Studien-Endpunkte waren bestätigte SARS-CoV2-Infektion bzw. stationärer Krankenhausaufenthalt mit Covid-19 als Hauptdiagnose.
In der ungeimpften Gruppe schützte eine Infektion (natürliche Immunität) nach 3 Monaten zu 95% vor einer Reinfektion. Der Schutz vor schwerem Verlauf (Krankenhaus-Aufenthalt) lag bei 87% für bis zu 20 Monate Nachbeobachtung (Anm: eine längere Nachbeobachtung erfolgte nicht).
Teilnehmer der Kohorte 2 und 3 wurden mit Personen mit natürlicher Immunität verglichen. In den ersten 2 Monaten zeigte sich dabei eine Reduktion der Infektionen um 58% bzw. 66%, wobei nach nur 1 Impfung der Impfschutz rasch nachliess, während er nach 2 Dosen über 9 Monate weitgehend stabil war.
(Anm: Die weitere Senkung des Erkrankungsrisikos um 66% bei 2 Impfungen (allerdings nur bei zusätzlich bereits stattgehabter Infektion!) bei einem bereits vorhandenen natürlichen Schutz von 95% vor Reinfektion allgemein bzw. 87% vor schwerer Reinfektion mit Krankenhausaufnahme hört sich viel an, bedeutet aber aufgrund der insgesamt niedrigen Fallzahlen v.a. bei schweren Infektionen in absoluten Zahlen nur mehr eine geringe Verbesserung, was von den Autoren auch selbst so angegeben wird.) In der Interpretation schreiben die Autoren: „Diese Ergebnisse legen nahe, dass Pässe, wenn sie für gesellschaftliche Einschränkungen verwendet werden, entweder eine frühere Infektion oder eine Impfung als Immunitätsnachweis anerkennen sollten, und nicht nur die Impfung.“ und allgemein könnte „eine Unterscheidung zwischen immunen und nicht-immunen Personen angemessener sein als die häufig verwendete Terminologie „geimpft“ und „ungeimpft“.“
(Anm: Darüber hinaus ist die Morbidität und Mortalität der aktuellen SARS-CoV2-Varianten bereits allgemein per se sehr gering und stark abhängig von Alter und Vorerkrankungen. Die Angabe einer Risikoreduktion oder auch einer NNT (number needed to treat; dh. wie viele Personen man impfen muss, um 1 Infektion zu vermeiden), wie es in dieser Studie gemacht wird, ist für die Praxis irrelevant. Die fehlende Berücksichtigung der Sinnhaftigkeit einer reinen Infektionsvermeidung sowie eventueller Nebenwirkungen macht diese Betrachtungsweise für praktische Empfehlungen sogar gefährlich. Leider fokussieren viele „Experten“ nur mehr auf die angegeben Zahlen und lassen die praktische Bedeutung unberücksichtigt, was sich auch in den offiziellen Empfehlungen des NIG und der österreichischen Politik zeigt.
Interessant wäre auch der Vergleich natürliche Immunität versus reine impfinduzierte Immunität gewesen, der leider nicht gemacht wurde. Hier stellt sich nun die Frage, ob die Autoren diesen Vergleich nicht anstellen wollten, oder ob sie nicht genügend Probanden finden konnten, die zwar geimpft aber noch nicht erkrankt waren. Zum Schluß noch eine Spitzfindigkeit: Für einen wirklich sauberen Vergleich müsste man auch Personen mit 2 vorangegangenen Infektionen mit Personen mit Infektion + Impfung vergleichen.)
https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(22)00143-8/fulltext