Im Rahmen der natürlichen Selektion wird die Verbreitung hochvirulenter Erreger durch den Tod des Wirtes begrenzt. Wird durch einen Impfstoff (oder eine Therapie) zwar die Erkrankungsschwere gesenkt, die Virusverbreitung aber nicht verhindert führt das dazu, dass sich gefährliche Varianten ausbreiten können (Wegfallen der natürlichen Selektion).
In dieser Studie wurde eine Hühnerpopulation entweder durch direkte oder mütterliche Impfung gegen das Marek-Virus immunisiert und danach mit diesem Virus infiziert. Der Impfstoff führte zu keiner sterilen Immunität („Leaky-Impfstoff“). Es zeigte sich, dass Virusvarianten, die sonst zu tödlich waren, um sich zu verbreiten, in dieser immunisierten Population „überleben“ und weitergegeben werden konnten.
Bis in die 50er-Jahre verursachte das Marek-Virus (MDV) hauptsächlich leichte paralytische Erkrankungen, die v.a. auf periphere Nerven beschränkt waren. 1970 wurde der 1.Impfstoff gegen MDV eingesetzt und mehrmals adaptiert. In der 2.Hälfte des 20.Jahrhunderts wurde MDV zunehmend virulent. Heutzutage gibt es weltweit hyperpathogene Marek-Virus-Stämme, die zu Lymphomen in einer Vielzahl von Organen, rasch fortschreitenden Lähmungen und einer Sterblichkeitsrate von 100% bei ungeimpften Vögeln führen. Ob die Impfungen für diese Entwicklung ausschlaggebend waren, konnten die Studiendaten nicht belegen, sie zeigten aber klar, dass die Impfungen den Übertragungserfolg und damit die Verbreitung hyperpathogener Stämme deutlich erhöhen konnten. Diese Beobachtungen wurden bei 2 weiteren Viren bestätigt.
(Anm: Man könnte nun argumentieren, dass man als Konsequenz dieser Erkenntnis alle Individuen einer Spezies impfen müsse, um alle zu schützen. Bei dieser Überlegung wird jedoch nicht berücksichtigt, dass durch Impfaktionen auch Fluchtmutationen ausgelöst werden können – wie wir bei den SARS-CoV2-Impfstoffen sehen konnten. Eine hochpathogene Fluchtmutation wäre ein worst-case Szenario).
https://journals.plos.org/plosbiology/article?id=10.1371/journal.pbio.1002198